2024-07-24_RP_Bei der Bezahlkarte hakt es
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- Erstellungsdatum 24/07/2024
- Zuletzt aktualisiert 24/07/2024
2024-07-24_RP_Bei der Bezahlkarte hakt es
2024-07-24_RP_Bei der Bezahlkarte hakt es
Das bundesweite Vergabeverfahren verzögert sich. Nun steigt der Druck auf die Länder, Lösungen zu finden. Mit einem einfachen Trick haben Aktivisten in Bayern zudem das Bargeldlimit für Geflüchtete einfach ausgehebelt.
BERLIN | Die bundesweite Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber wird von erheblichen Problemen begleitet. Nicht nur kommt es zu Verzögerungen bei der Vergabe des Projekts an einen Dienstleister. In Bayern haben Aktivisten auch einen Weg gefunden, die Bargeld-Obergrenze von monatlich 50 Euro auszuhebeln. Das Bündnis „Offen für eine solidarische Gesellschaft“ hält die Bezahlkarte für „rechtspopulistische Symbolpolitik“ – und 50 Euro in bar, „die reichen einfach nicht aus“, teilt die Initiative mit.
Deshalb hat sie in München ein Tauschsystem ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Asylsuchende können mit der Bezahlkarte zwar nicht mehr als 50 Euro im Monat an Geldautomaten abheben, aber sie können geldwerte Gutscheine kaufen, etwa bei einer Drogeriemarkt-Kette oder in Supermärkten wie Aldi, Lidl oder Rewe. In München gibt es bislang drei Anlaufstellen des Bündnisses, wo Asylsuchende diese Gutscheine gegen Bares eintauschen können. Unterstützer der Aktion kaufen dort ihrerseits die Gutscheine auf, so dass den Tauschstellen das Bargeld nicht ausgeht.
In Bayern ist die Bezahlkarte bereits eingeführt, weil sich das größte deutsche Flächenland nicht dem bundesweiten Ausschreibungsverfahren angeschlossen hat. Wie Bayern geht auch Mecklenburg-Vorpommern eigene Wege. Die anderen 14 Bundesländer hatten sich Ende Januar auf gemeinsame Standards und ein Verfahren zur Vergabe der Bezahlkarte an einen Dienstleister geeinigt.
Befürworter der Karte setzen darauf, dass mit ihr Geldzahlungen an Schleuser oder Überweisungen in die Herkunftsländer der Geflüchteten verhindert werden, die Kommunen entlastet und Anreize für irreguläre Zuwanderung gesenkt werden. Kritiker bezweifeln jedoch, dass diese gewünschten Effekte tatsächlich eintreten werden. Im Bundestag hatten insbesondere die Grünen den Beschluss verzögert, weil sie eine Diskriminierung der Betroffenen befürchteten.
Das Münchner Tausch-Modell könnte nun auch in anderen Bundesländern Schule machen. Darauf jedenfalls setzen die Aktivisten. Und der Freistaat sieht keine Möglichkeit, dagegen einzuschreiten. „Das Vorgehen ist im Innenministerium bekannt. Es kann durch das Innenministerium nicht verhindert werden“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Es würden nur wenige Menschen dauerhaft bereit sein, solche Gutscheine abzukaufen, und es sei „nicht von einer relevanten Umgehung des Bargeldlimits auszugehen“.
Damit die Grundfunktionen greifen können, muss die Karte aber erst bundesweit eingeführt werden – und auch hier hakt es. Im Ausschreibungsverfahren haben Unternehmen Einsprüche eingelegt, die die Vergabe nun verzögern. Das teilte der IT-Dienstleister Dataport, der mit dem Ausschreibungsverfahren beauftragt worden war, mit. Eigentlich hätte der Zuschlag bereits vor mehr als einer Woche erteilt werden sollen, doch dazu kam es noch nicht.
Von den Landkreisen wie aus dem Bundestag steigt der Druck, dass die Karte schnell eingeführt wird. „Wir bedauern sehr, dass sich die bundesweite Einführung der Bezahlkarte immer weiter verzögert. Die Landkreise haben von Beginn an darauf gedrängt, dass die Karte zügig zum Einsatz kommt“, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Landkreistages, Irene Vorholz, unserer Redaktion. In Bayern, Sachsen und Thüringen sei das bereits der Fall. „Für uns ist wichtig, dass die Bezahlkarte flächendeckend kommt“, so Vorholz.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr nahm die Länder in die Pflicht. „Die Länder müssen jetzt aufhören, die bundesweite Einführung der Bezahlkarte weiter zu verzögern“, sagte Dürr unserer Redaktion. Er bezeichnete es als „enttäuschend, dass einige Akteure nun versuchen, einen Beschluss auszuhebeln, der Teil eines breiten demokratischen Konsenses ist“. Dürr richtete den Blick nach Bayern: „Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass der bayerische Ministerpräsident sich von Aktivisten derart an der Nase herumführen lässt. Markus Söder kündigt gerne harte Maßnahmen an, jetzt muss er auch liefern.“
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte, es sei nun Sache der Länder, festzulegen, wie und in welchem Umfang, die Bezahlkarte genutzt werden kann. „Wichtig ist es, dass die Länder nach monatelanger Vorbereitung die Bezahlkarte einführen und die Wirkung erkennbar wird. Wenn es in der Praxis zu Schwierigkeiten kommen sollte, muss nachgesteuert werden“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion.
INFO
Bund-Länder-Einigung Auf die Einführung der Karte hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder im November verständigt.
Bargeld Im Juni haben die Bundesländer sich auf eine Bargeld-Obergrenze von 50 Euro geeinigt. Zuvor war geplant, dass sie darüber eigenständig verfügen.