Leverkusen - Sie waren vielleicht zu gut für diese Welt: Sebastian Roggendorf und Christopher Leffin haben mit ihrem Betreuungsdienst „Heinzelmännchen“ eine Bauchlandung hingelegt. Das 2018 gegründete Unternehmen ist abgewickelt. Von 127 Beschäftigten des Betreuungsdienstes haben die allermeisten ihren Job verloren, rund 70 davon in Leverkusen. Das bestätigt am Montag Sebastian Roggendorf, einer der Geschäftsführer. Alle Versuche, den am 5. Januar zahlungsunfähig gewordenen Betreuungsdienst zu verkaufen, seien gescheitert, bedauert er.
Nicht betroffen ist der „Heinzelmännchen“-Pflegedienst: Das mit zehn Beschäftigten weitaus kleinere Unternehmen – zu erkennen am roten Unternehmenslogo, während der Betreuungsdienst ein blaues Signet hat – arbeite weiter und sei auch profitabel, so Roggendorf.
Zum Verhängnis wurden dem 33 Jahre alten Juristen Roggendorf offenbar die „wunderschönen Arbeitsverträge“. Diese Formulierung findet Magdalena Konschalla, die Insolvenzverwalterin. Roggendorf findet sie nur „gesetzeskonform“ – aber das sei in der Betreuungsbranche fast die Ausnahme: Oft würden die Leute mit Teilzeitverträgen ausgestattet, obwohl sie wegen des hohen Bedarfs meist viel mehr arbeiten. Diese von vornherein einkalkulierten Überstunden würden bezahlt. Aber beim Urlaubsanspruch oder bei Krankheit „sind die Leute natürlich gekniffen“, so der Hinweis von Roggendorf.
Das wollten er und sein Geschäftspartner bei „Heinzelmännchen“ besser machen: Sieben von zehn Angestellten hätten Vollzeitverträge gehabt, Teilzeit seien mindestens 25 Wochenstunden gewesen.
Krankenstand deutlich
über zehn Prozent
Aber: Wenn man sein Unternehmen so aufstellt, sind die Fixkosten hoch. Erst recht, wenn man für die mobile Altenbetreuung auch noch eine Flotte von gut 100 Autos least, wie Roggendorf es gemacht hat. „Wir hatten extrem hohe Kosten“, resümiert der Geschäftsführer.
Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn alle mitgezogen hätten. „Wir haben sehr schnell sehr viele Menschen eingestellt“, bilanziert Roggendorf. Natürlich: Alten Leuten im Alltag zu helfen, bei ihnen zu putzen, für sie einzukaufen, sie zum Arzt zu begleiten: „Das ist ein sehr anstrengender Job.“ Aber dass der Krankenstand die eigentlich schon großzügig kalkulierten zehn Prozent noch übersteigen würde, habe ihn auf dem falschen Fuß erwischt, räumt der Geschäftsführer ein. „Wir hätten deutlich mehr Umsatz erzielen müssen.“ Was aber nicht möglich ist, wenn die Betreuer nicht kommen. Man kann mit Kranken- und Pflegekassen natürlich nur abrechnen, was geleistet worden ist.
Noch ein Problem, das die „Heinzelmännchen“-Betreuung natürlich nicht exklusiv hat: Die Kassen benötigten meist zwischen 60 und 90 Tagen für Abrechnung und Bezahlung. Das bedeutet: Die Löhne für zwei, drei Monate müssen vorfinanziert werden. Weil das seine Firma stark belastete, habe man sich eines Factoring-Unternehmens bedient, berichtet Roggendorf. So wurden die Einnahmen geglättet, aber auch das koste „zwei, drei Prozent“ vom Umsatz. Und das bei einer Marge, die in der Betreuungsbranche bei „elf bis zwölf Prozent“ liege, sagt der Geschäftsführer.
Vier Filialen im
ganzen Land
Da liegt es auf der Hand, dass ein Unternehmen groß sein muss, um auskömmlich wirtschaften zu können. So sollte es auch bei „Heinzelmännchen“ laufen. Neben Leverkusen wurden weitere Filialen gegründet. Düsseldorf, Langenfeld, Paderborn und Bonn. Nur letztere – sie ist mit 17 Beschäftigten die größte Zweigstelle – hat die Insolvenz überstanden: Der Standortleiter habe sich dort selbstständig gemacht, berichtet Roggendorf.
Um weiter wachsen zu können, wollten sich die Chefs des „Heinzelmännchen“-Betreuungsdienstes bei der Sparkasse frisches Geld besorgen. Im Juni vorigen Jahres hätten die Verhandlungen darüber begonnen, erinnert sich Roggendorf. Im Dezember seien sie gescheitert. Hat also die Sparkasse dem Unternehmen final den Geldhahn abgedreht und die Insolvenz herbeigeführt? Nein, sagt Geschäftsführer Roggendorf: „Wir hätten es nicht mehr gedreht bekommen.“ Gedreht bekommen hat es trotz intensiver Bemühungen auch Insolvenzverwalterin Konschalla nicht. „Wir haben Tag und Nacht an einer Sanierung gearbeitet“, sagt die Anwältin aus der früheren Kanzlei Orlowski in Opladen. Es habe auch vier ernsthafte Interessenten aus der Branche gegeben. Geklappt habe es aber letztlich nicht wegen der Aufstellung des „Heinzelmännchen“-Betreuungsdienstes. Zu gute Arbeitsverträge, zu viel Verwaltung – das sei einfach nicht attraktiv gewesen für einen Übernehmer. Konschalla sagt es so: „Die Heinzelmännchen sind an ihrer Fairness gescheitert.“