2025-02-13_KSTA_Ärger um Bezahlkarte für Geflüchtete

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  • Zuletzt aktualisiert 13/02/2025

2025-02-13_KSTA_Ärger um Bezahlkarte für Geflüchtete

2025-02-13_KSTA_Ärger um Bezahlkarte für Geflüchtete

Nordrhein-Westfalen
Ärger um Bezahlkarte für Geflüchtete

Um die sogenannte Socialcard gibt es immer mehr Streit, nicht nur in den kommunalen Räten. Sie könne ihren „ohnehin umstrittenen Zweck kaum noch erfüllen“, sagen Städte und Gemeinden. Darum drehen sich die Debatten.

Von Sina Zehrfeld

DÜSSELDORF |Städte und Gemeinden rechnen damit, dass ihre Ämter durch die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete nicht weniger, sondern erheblich mehr zu tun haben. Auch würden etliche Kommunen bei der flächendeckenden Einführung nicht mitmachen. Die Karte könne „ihren eigentlichen, ohnehin umstrittenen Zweck kaum noch erfüllen“, schlussfolgerte Christoph Landscheidt (SPD), Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW. „Weder reduziert sie unter solchen Bedingungen Anreize zur irregulären Einreise, noch entlastet sie die Kommunen“, sagte er unserer Redaktion.

Über die sogenannte Socialcard, eine aufladbare Guthabenkarte, sollen Asylsuchende künftig staatliche Leistungen erhalten. In Nordrhein-Westfalen geht es um landesweit etwa 100.000 Menschen. Viele von ihnen leben aber über die Kommunen verteilt in privaten Wohnungen, verfügen über Girokonten und bekommen Gelder bisher überwiesen.

Es sei „völlig unklar, wie in Zukunft Zahlungen an Vermieter und Energieversorger sichergestellt werden sollen“, kritisierte Christoph Landscheidt. „Zudem wissen wir nicht, wie die Ansprüche minderjähriger Kinder richtig zugeordnet werden können.“ Und schon durch Einzelfall-Prüfungen und die Umstellung auf ein neues Zahlungssystem sei „mit erheblichem administrativen Mehraufwand zu rechnen“. Seine Forderung: Das Land müsse den Kommunen die Einführungs- und Betriebskosten der Bezahlkarte vollständig erstatten.

Ob eine Stadt bei der Einführung der Karte mitziehen will oder nicht, sorgt vor Ort für teils aufgeregte Debatten. So wie zuletzt in der Landeshauptstadt Düsseldorf: Dort hat der Rat sich gerade mit knapper Mehrheit dagegen entschieden. Zuvor waren Kirchen und Flüchtlingsorganisationen laut geworden, und die Linke hatte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) dazu aufgefordert, für eine „Brandmauer“ in Düsseldorf zu sorgen. Die Christdemokraten und die AfD stünden in der Sache auf einer Seite. Keller sah in dem Vorstoß ein „absurdes Verständnis von Demokratie“. Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa sehen auch die Städte Dortmund, Aachen, Münster und Krefeld die Bezahlkarte absehbar nicht kommen. In Köln will sich der Stadtrat erst am Donnerstag und noch einmal April damit befassen, auch hier gelten Mehrheiten gegen die Socialcard als wahrscheinlich.

Das Integrationsministerium von Josefine Paul (Grüne) begegnet der Kritik des Gemeindebunds mit betont beruhigenden Tönen. Dass einige Kommunen sich bewusst für die Bezahlkarte entschieden hätten, andere dagegen, zeige, dass es richtig gewesen sei, ihnen die Wahlfreiheit zu überlassen. Es sei klar, „dass es bestimmte Bedarfe gibt, die nicht per Debitkarte oder bar bezahlt werden können, zum Beispiel Schulessen, Beiträge zu Sportvereinen oder häufig auch Sozialtickets für den ÖPNV“, also für Bus und Bahn, sagte eine Sprecherin. Eine Funktion für Überweisungen und Lastschriften sei vorgesehen und stehe voraussichtlich im zweiten Quartal des Jahres zur Verfügung.

Weiter hieß es, die Einführung neuer Systeme und die Umstellung darauf seien häufig mit einem gewissen Einführungsaufwand verbunden. Wie groß der sei, hänge vom Einzelfall ab. Der Flüchtlingsrat NRW sieht sich in seiner Skepsis bestätigt. Er hatte schon 2024 angemerkt, dass ein neues Verfahren für die Kommunen eher komplizierter würde als die Nutzung normaler Bankverbindungen. Wenn es nach ihm ginge, müsste noch mehr Wert auf humanitäre Aspekte gelegt werden, sagte die Geschäftsführerin Birgit Naujoks. „Wir halten die Bezahlkarte für ein diskriminierendes Instrument. Wir würden uns wünschen, dass all die Ratsbeschlüsse das mehr berücksichtigen würden und die großen Städte ein deutliches politisches Signal senden.“

Man habe außerdem rechtliche Bedenken. „Laut Bundesgesetz müssten die Kommunen für jede einzelne Person entscheiden, warum sie von der Bezahlkarte Gebrauch machen oder nicht. Das ist nicht gewährleistet, wenn die Karte, wie es in NRW passiert, als Regelfall eingeführt wird.“ Das, sagte Naujoks voraus, werde noch zu Gerichtsprozessen führen.